„Leadership“ bei Xenophon

Die Frage, warum Menschen anderen folgen und welche Eigenschaften ein guter Vorgesetzter, Anführer Herrscher oder politischer Amtsinhaber auf anderen Ebenen haben sollte, ist zeitlos und deshalb auch heute noch zentral für viele Bereiche unseres Lebens, nicht nur beim Militär und und in Verwaltungen, sondern auch in der Wirtschaft oder auch im Sport.

Xenophons Theorie der Menschenführung

Xenophon hat im 4. Jh. v. Chr. als erster Autor der Antike eine Theorie der Führung bzw. Menschenführung – neudeutsch „leadership“ – sowohl für den militärischen als auch zivilen (wirtschaftlichen wie auch politischen) Bereich entwickelt, die sein gesamtes Werk durchzieht.

Zentral für Xenophons Theorie der Menschenführung ist die Freiwilligkeit des Gehorsams bzw. des Folgens. Dafür müssen die Geführten erkennen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, das zu tun, was der Anführer vorgibt.

Zugleich empfiehlt Xenophon eine Reihe von Charaktereigenschaften und Fähigkeiten, die ein Anführer besitzen sollte: z. B. Fleiß; Ehrgeiz und Kampfgeist; die Fähigkeit, Disziplin herzustellen und aufrechtzuerhalten; Gerechtigkeit; Würde; Freundlichkeit; Großzügigkeit; Mäßigung und Bescheidenheit; Selbst- bzw. Affektkontrolle; zu handeln statt nur zu reden; die Fähigkeit, die Handlungen seiner Untergebenen zu planen, vorzubereiten und zu überwachen, sowie ständige Aufmerksamkeit und Wachsamkeit.

Die Auseinandersetzung mit Xenophons Theorie der Menschenführung ist auch heute noch lohnenswert – auch für Schülerinnen und Schüler.

Vorschlag für eine Unterrichtsreihe

In einem Beitrag für die Zeitschrift Der Altsprachliche Unterricht stelle ich daher einen Vorschlag für eine Unterrichtsreihe vor, welche die Lernenden dazu anregt, Xenophons Vorstellungen von guter politischer Führung herauszuarbeiten und mit Blick auf historische ebenso wie aktuelle Beispiele von Politikern zu diskutieren.

Cover der Zeitschrift "Der Altsprachliche Unterricht" 68.5 (2025)

Magnus Frisch, „Leadership“ in der Politik. Xenophons Theorie der Menschenführung und des idealen Herrschers. In: Der Altsprachliche Unterricht 68.5 (2025). S. 44-51.

Didaktische Überlegungen

Ausgehend von der Fragestellung, was die Schülerinnen und Schüler von Politikerinnen und Politikern erwarten, die von ihnen gewählt werden, regt die vorgeschlagene Unterrichtsreihe die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, Xenophons Vorstellungen von guter politischer Führung herauszuarbeiten und mit Blick auf historische ebenso wie aktuelle Beispiele von Politikern zu diskutieren.

Auch die Gefahren, die im möglichen Missbrauch solcher „Techniken“ der Machtausübung liegen können, werden dabei problematisiert.

Anhand von Auszügen aus der Kyrupädie und dem Hieron, in denen Xenophon die Fragen der Menschenführung in Bezug auf den idealen Herrscher eines Staates behandelt und seine Überlegungen zur Menschenführung im Vergleich zu anderen Schriften am stärksten systematisiert, setzen sich die Lernenden in dieser Unterrichtsreihe besonders mit der für Xenophon zentralen Frage des freiwilligen Gehorchens, mit den notwendigen Eigenschaften und Fähigkeiten eines Herrschers, mit der Rolle der Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung (σωφροσύνη / ἐγκράτεια) für einen Herrscher und die von ihm eingesetzten Beamten sowie mit der Bedeutung der Menschenfreundlichkeit (φιλανθρωπία) des Herrschers und seiner Fürsorge und Großzügigkeit sowohl gegenüber seinen direkten Untergebenen ein als auch gegenüber der breiten Masse seiner Untertanen auseinander.

Exemplarisches Lernen und existentieller Transfer

Diese Textauszüge bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte zu unserer heutigen Lebenswelt und lassen sich auch auf demokratisch gewählte Politiker übertragen. Insgesamt decken sie sowohl Xenophons Grundfrage in Bezug auf die Menschenführung als auch seine wesentlichen Grundannahmen in großen Teilen ab.

Differenzierungsmöglichkeiten

Das Grundkonzept der Unterrichtsreihe lässt sich durch unterschiedliche Auswahl und Kombination der Textauszüge flexibel und differenziert umsetzen. Je nach eigener Schwerpunktsetzung und Interessen der Lerngruppe sowie zur Verfügung stehender Zeit sind verschiedene Kombinationsmöglichkeiten sinnvoll realisierbar.

Außerdem ist es möglich, die dargebotenen Textauszüge durch weitere Paralleltexte aus der Kyrupädie, den Memorabilien oder dem Hieron, der Anabasis, dem Oikonomikos oder dem Hipparchikos zu ergänzen.

Downloadmöglichkeit  

Der Beitrag ist nicht nur im Druck erschienen, sondern kann auf der Website des Friedrich Verlages auch als digitale Fassung erworben werden.

weiterführende Literatur

Wenn Sie sich intensiver mit Xenophon und seiner Theorie der Menschenführung beschäftigen möchten, finden Sie hier weiterführende Literatur:

  • Buxton, R. F. (ed.): Aspects of Leadership in Xenophon, Newcastle 2016 (Histos; Suppl. 5).
  • Mueller-Goldingen, C.: Xenophon. Philosophie und Geschichte, Darmstadt 2007.
  • Nickel, R.: Xenophon. Leben und Werk, Baden-Baden 22023 (Nova Classica; Bd. 6).
  • Sandridge, N. B.: Loving, Humanity, Learning, and Being Honored. The Foundation of Leadership in Xenophon’s Education of Cyrus, Cambridge (Mass.) / London 2012 (Hellenic Studies; 55).
  • Wood, N.: Xenophon’s Theory of Leadership, in: Classica et Mediaevalia 25 (1964), S. 33–66. [Wieder abgedruckt in: Wheeler, E. L.: The armies of classical Greece, Aldershot 2007, S. 447-480.]

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