Der Bildungswert der Schriften Ciceros
Cicero ist auch heute noch aus dem Lateinunterricht nicht wegzudenken. Im November 2018 hat sich deshalb eine fachdidaktische Tagung an der Universität Göttingen mit dem Bildungswert der Schriften Ciceros beschäftigt.
Aus dieser Tagung ist ein Sammelband hervorgegangen:
Peter Kuhlmann / Valeria Marchetti (Hrsgg.), Cicero als Bildungsautor der Gegenwart. Heidelberg 2020 (Ars Didactica: Alte Sprachen lehren und lernen; Bd. 6).
Ich habe mich auf der Tagung und für den Sammelband mit den philosophischen Schriften Ciceros auseinandergesetzt:
Ciceros Reden, redetheoretische Schriften und Briefe im Unterricht
Ein Blick in die Curricula verschiedener Bundesländer zeigt, dass sowohl Reden und redetheoretische Texte als auch Briefe sowie philosophische Texte Ciceros zur Lektüre vorgeschrieben oder
empfohlen werden. Angesichts von Quintilians Lob auf Cicero als rednerisches und literarisches Vorbild (Quint. inst. XII praef.) und Ciceros eigener politischer Rolle in der Endzeit der römischen Republik erscheint das für seine Reden und seine rhetorischen Schriften auch als leicht nachvollziehbar.
Gründe für die Lektüre der philosophischen Schriften Ciceros
Da allerdings Cicero die philosophische Bildung und die Beschäftigung mit der Philosophie für notwendige Voraussetzungen für die Ausbildung des Redners hielt, liegt es nahe, auch philosophische Schriften Ciceros mit Schülern zu lesen.
Zudem gilt Cicero als derjenige, der die griechische Philosophie den Römern in lateinischer Sprache zugänglich gemacht und überhaupt erst eine lateinische Terminologie für die Philosophie geschaffen hat.
Dementsprechend drängt es sich beinahe auf, Ciceros philosophische Schriften – oder besser: Auszüge daraus – mit Schülern im Lateinunterricht zu lesen. Zu klären ist allerdings, welche Textstellen zu welchen Themen man wann mit welchen Schülern auf welche Weise behandelt.
Überblick über den Sammelbandbeitrag “Cicero philosophus – Ciceros philosophische Schriften im Lateinunterricht”
Themenschwerpunkte
In meinem Beitrag habe ich mich deshalb vor allem mit der Textauswahl, sprachlichen und inhaltlichen Schwierigkeiten sowie Ansätzen zur Behandlung solcher philosophischer Texte im Lateinunterricht auseinandergesetzt. Dabei bin ich besonders auf die Möglichkeiten eingegangen, aus Ciceros Texten gegebenenfalls einen philosophiegeschichtlichen Überblick zu gewinnen, und auf die Möglichkeiten, die seine philosophischen Texte zum existentiellen Transfer und als Anregung zum Selbst- und Weiterphilosophieren der Schülerinnen und Schüler bieten.
Inhaltsübersicht
Dazu habe ich zum Einstieg einen knappen Überblick über Cicero als philosophischen Schriftsteller und „Philosophen“ sowie einen Abriss über die von ihm behandelten Themen, die von ihm verfassten philosophischen Werke und deren Form sowie über seine Gründe für das Philosophieren gegeben. Anschließend habe ich den Aspekt der Vermittlung griechischer Philosophie durch Cicero näher beleuchtet und die eigentlichen didaktischen und methodischen Fragen der Behandlung von Ciceros Schriften im Lateinunterricht diskutiert. Eine umfangreiche Bibliographie zu einschlägigen philologischen, philosophischen und fachdidaktischen Publikationen zu Ciceros philosophischen Texten ergänzt den Beitrag.
Fazit
Ciceros philosophisches Prinzip des ‘utramque partem dissere’, das sich an der akademischen Skepsis orientiert, ist meines Erachtens auch für das Denken und Leben in unserer Zeit eine geeignete Richtschnur.
Damals wie heute ist es wichtig, dass junge Menschen ihre Urteilsfähigkeit für die eigene Lebensführung und für ihr gesellschaftliches oder auch politisches Engagement schärfen, eine sichere und ruhige Haltung für das Leben und den Umgang mit dessen Widrigkeiten gewinnen und sich und ihren Mitmenschen “nützen”, wie Cicero es formuliert. Auch heute ist eine philosophische Grundhaltung hilfreich und wichtig, um angemessen über die Welt und konkrete Fragen und Probleme reden und „mitreden“ zu können.
Zudem kann die Beschäftigung mit Auszügen aus den philosophischen Schriften Ciceros sicher auch dazu beitragen, der jungen Generation das Philosophieren als „Kulturtechnik“ und „Lebensform“ nahezubringen und damit einen echten Bildungswert zu gewinnen.